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Interview mit Dr.Knarf

Er unterscheidet sich vom handelsüblichen deutschen MC wie der Audi R8 vom Smart. Wir haben uns mit Dr. Knarf ausgetauscht und sprachen mit ihm über das Eigenlabel, sein aktuelles Mixtape und das kommende Album sowie Gangsterrap-Welle und vieles mehr

Foto: Dr.Knarf

hiphopjudge: Als erstes die obligatorische Frage: Bitte stell dich doch unseren Lesern vor.

Dr.Knarf: Dr. Knarf aka KNIWO2000, 24,  aus Köln. Rapper, Produzent, Singer und Songwriter. Ich habe mich mit 14 in HipHop verliebt und war seitdem nicht untreu.

hiphopjudge: Wenn du dich in kurzer Form beschreiben müsstest. Wie würde die Definition von Dr. Knarf lauten?

Dr.Knarf: "Vorsprung durch Technik"; Dr. Knarf unterscheidet sich vom handelsüblichen deutschen MC wie der Audi R8 vom Smart. Er steht für technisch überlegene Raps mit Deepness und Seele, ohne Bullshit- Blabla. Aber die Musik hat ebenso einen hohen Stellenwert für Dr. Knarf, er macht Raumschiff-Mucke, ein abstrakter Rap-Künstler.

hiphopjudge: Hier und da kommt deine Crew, HKC, ins Spiel. Erzähl uns etwas über die Mitglieder, die jeweiligen Aufgaben und die Art, wie ihr euer Leben lebt.

Dr.Knarf: HKC "Hamburg Köln Connection" ist meine Familie. Wir sind über 30 Leute und kennen uns alle seit mindestens 10 Jahren. Wir sind multikulturell, mit Members aus Deutschland, Kroatien, Türkei, Albanien, Tunesien, Rumänien und Kuba, bringen Raps auf deutsch, französisch, spanisch und englisch. Dazu kommt, dass wir eben nicht gecastet sind, wir sind Brüder, ob mit oder ohne Mucke.

Wir haben Rapper, Sänger, Produzenten, Grafiker und Videoleute mit an Bord und werden 2009 ein Album releasen. Die Lebensweise ist unterschiedlich, manche arbeiten, andere machen Ausbildungen oder Studieren. Aber wir haben eigene Regeln, eigene Hierarchie usw. Wir fahren unseren eigenen Film, nur der Szene  um einige Jahre voraus.

Dr.Knarf #3

hiphopjudge: Ich selber hab erst mit dem Tash-Mixtape von dir gehört. Wie kommt es, dass ein talentierter, hungriger MC wie du auf dem Eigenlabel releasen muss? Schließlich ist Straßenrap schon längst salonfähig geworden und wird vom Massenpublikum konsumiert...Hat da noch niemand angeklopft oder waren die Konditionen zu schlecht hehe?

Dr.Knarf: Ganz ehrlich: ich hab noch nie ein Demo rausgeschickt, deshalb kann ich über Konditionen nichts sagen. Ich will lieber selbst was auf die Beine stellen und meinen Marktwert pushen. Außerdem hab ich keinen Bock drauf, bei irgendeinem Rap-Indie zu signen, die denken, dass sie derbe Business machen, obwohl sie auch nur irgendeinen Larifari-Müll rausbringen, oder mich in irgendwelche Crews reinzusneaken, die ich nicht respektiere. Das widerspricht meiner Art. Dazu kommt, dass man als talentierter MC, der keine Ärsche leckt, nur Steine in den Weg gelegt bekommt. Leute, die an entscheidenden Knotenpunkten sitzen, geben einem einfach keine Aufmerksamkeit, schweigen einen tot. Aber mich lässt das kalt, ich bin auf Rap-Kohle nicht angewiesen. Jeder, der meine Mucke kennt, weiß, dass ich in einer ganz anderen Liga spiele, ich hab völlig andere Ziele, als ein bisschen schnellen Fame.

hiphopjudge: Glaubst du, dass die "Gangsterrap-Welle" - analog zur damaligen Entwicklung in den Staaten - auch mal ne Auszeit nehmen wird und dafür wieder Conscious Rap aufs Siegertreppchen kommt?

Dr.Knarf: Definitiv, ich denke sogar, dass wir in dieser Entwicklung schon mittendrin sind. Aber es kann halt nicht jeder auf Knopfdruck conscious rappen, weil der Großteil draußen aber auch rein gar nichts zu sagen hat. Das kann man denen dabei meistens noch nicht mal vorwerfen, weil: was will mir ein 19/20-Jähriger Schüler über das Leben erzählen? Mit was soll ich mich identifizieren, wenn da einer die ganze Zeit labert "ich spritz dir sonstwohin... fick den und den...laufe ständig mit Knarre rum..." usw. Außerhalb der Rap-Szene wohl niemand, und da ich mich nie als Teil der Szene gesehen habe, auch damals nicht, als ich von Battle zu Battle gezogen bin, bringe ich in meinen Texten nicht so einen Unsinn.

hiphopjudge: Deinen Texten nach dreht sich dein Leben hauptsächlich um Homies, Alkohol, Clubs und Hustlen. Beschreib uns mal dein Umfeld, in dem du aufgewachsen bist und jenes, das dich heute umgibt.

Dr.Knarf: Jaja, ich werd oft ganz falsch verstanden...aber man versteht immer nur soviel, wie man wirklich verstehen will. Meine Raps sind abstrakte Kollagen, Kurzfilme mit einem harten, wahren Kern.
Ums kurz zu machen: Kaputte Kindheit, viele verschiedene Schulen, in der Oberstufe Schulabbruch, mit 18 ein halbes Jahr in U-Haft, danach über Umweg zum glänzenden Abitur, jetzt habe ich ein Studium angefangen. Seit ich klein war, hat Musik mich geprägt, ich hab schon früh z.B. Klavier und Gitarre gespielt. Ich habe mich und mein Leben in den letzten Jahren stark verändert und dadurch ganze andere Perspektiven auf viele Dinge bekommen.

hiphopjudge: Was konkret meinst du mit "abstrakte Kollagen, Kurzfilme mit einem harten, wahren Kern"?

Dr.Knarf: Ich sehe mich nicht so sehr als Rapper. Mehr als abstrakter Künstler, der Sprache, Musik und Sound als Grundmaterialien benutzt, so wie ein Maler seine Leinwand, Pinsel und Farbe. Da ich eine sehr virtuose, hochkomplexe Art von Musik mache, stecken mich manchmal Leute nach oberflächlichem Hören meiner Songs in eine Schublade, die mir absolut nicht gerecht wird (siehe deine Frage oben: "...Gansterrap/Straßenrap ist ja mittlerweile salonfähig geworden..."). Aber ich verstehe das. Das Gehirn funktioniert nun einmal so, dass wir neue Erfahrungen und Eindrücke unbewusst mit schon abgespeicherten Informationen vergleichen, eine Art Selbstverwaltungsmechanismus der Grauen Zellen. Ich würde mich trotzdem über einen unvoreingenommenen Genuss meiner Musik freuen.

hiphopjudge: Kommen wir mal zu deinem aktuellen - und sehr gelungenen - Videoclip. Woher kam die Idee mit dem Clockwork Orangestyle? Und wenn wir schon bei Classic Movies sind: nenne uns paar von deinen Favorites of all time.

Dr.Knarf: Kool, danke. Das Video ist von Che Andre Bergendahl, der Junge hats mies drauf. Der Track "Trink ´ne Milch" ist vorher entstanden, der Flash beim Brainstormen über die visuelle Umsetzung. Aber Props für das Video kann ich nur an Che weiterleiten, das meiste ist auf seinem Mist gewachsen.

n paar von meinen Favorites:

Casino,Revolver, Apocalipto, Lucky No.Slevin... mit Filmen ist es wie mit Autos: zu viele dicke Dinger auf dem Markt, als dass man jemals alle haben/sehen könnte...

hiphopjudge: Zum Thema Production: Wenn du Beats von diversten Produzenten erhälst., was muss ein Beat haben, damit er dich packt?

Dr.Knarf: Hm...schwierig. Ich mag keine abgedroschenen Kopien irgendwelcher Ami-Produktionen, also: eigener Style imponiert mir und fläsht mich. Ansonsten stehe ich auf knackige, druckvolle Drumloops. Generell bin ich aber nicht sehr festgelegt, ich fläshe auf die unterschiedlichsten Beats.

hiphopjudge: Bevor dein Longplayer rauskommt, verwöhnst du Fans bzw. solche, die es werden sollen, mit einem Mixtape. Erzähl uns etwas über dieses und über das kommende Album.

Dr.Knarf: TA$H PT II ist die officially gepimpte Version vom ersten Teil, nur jetzt for free auf WWW.TPT2.DE. 16 Tracks volle Lautstärke, Albumcharakter, mit Produktion von Major Deal, Ritmo Beats, den Knockout Twinz und mir selbst. Lässt den deutschen Markt alt aussehen. Gemixxt und gemastert wurde das Teil von meinem Homie Joe Mono, der auch den ersten Teil gemischt und gemastert sowie co-produziert hat. Dasselbe gilt für die EP und das Album, die dieses Jahr rauskommen werden.
Das Album heißt H.K.I.C und ist nichts anderes als Revolution, Anarchie, Befreiung für Körper und Seele. Plus das eine oder andere Feature wird für völlige Fassungslosigkeit sorgen, und es den Leuten endgültig unmöglich machen, Kniwo in eine viel zu kleine Schublade zu quetschen.

hiphopjudge: Wordplay

Alkohol: ...macht dumm und häßlich, lässt einen aber glauben, man selbst wird schlauer und schöner...manchmal ganz hilfreich, manchmal sehr destruktiv.

Weed: ...wie gutes Essen und guter Wein...

Geld: "...macht zwar keinen Mann aus dir, aber was ist ein Mann ohne Geld??"(AbuSayaff, MOG)

...ist für mich pure Negativität, es gilt diese Negativität in etwas Positives umzuwandeln, und das tut keine Bank für dich.

Macht: ...ähnlich wie Geld, hat man keinen Charakter wird sie einen zerstören...

Frauen: ...ich denke wir sind mitten in der Übergangsphase vom Patriarchat ins Matriarchat, Frauen sind fleißiger, konsequenter und widerstandsfähiger als Männer.

Religion: ..siehe Macht und Geld...

Sinn des Lebens: ...positives Tun, aktives Mitgefühl, nicht eigennützig handeln, und letztendlich: die Angst vor dem Tod und sein Ego zu überwinden...

Deutschrap: ...Mini Playback-Show... Big Brother in full effect...

Köln: ...Rainbow City... 365 Tage im Jahr Maskenball...

Dr. Knarf in 10 Jahren: ... tot, steinreich oder dematerialisiert




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Interview wurde geführt von:
sean@hiphopjudge.com